Bericht von Konrad Schöller und Taras Levchenko
Wie sehr das Thema Übersetzung bewegt, konnte man an einem Dienstagabend im Haus der Wissenschaft erleben. Der Verein Freie Ukraine Braunschweig e.V. hatte gemeinsam mit dem Sprachenzentrum der TU dazu eingeladen.
Ein schlechtes Werk durch die Übersetzung zu einem guten Buch zu machen, das sei nicht möglich. Sehr leicht hingegen aber sei es möglich, ein gutes Buch in der Übersetzung zu einem schlechten zu machen.
Mit dieser Feststellung begann Juri Durkot, ukrainischer Journalist und Übersetzer, seinen Abend, nach Eröffnungsworten des Leiters des Sprachenzentrums Dr. Andreas Hettiger und einer Passage aus dem Buch „Internat“ gelesen von Marita Lux.
Gemeinsam mit Sabine Stöhr wurde Juri Durkot 2018 Preisträger der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung. Seit 2007 hat er die Werke des ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan, zum Teil in einer Gemeinschaftsarbeit mit der deutschen Übersetzerin, ins Deutsche übertragen. Das Zusammenspiel beider sei ein großer Gewinn, so Durkot.
Seinen Vortrag hielt er strukturiert ohne je auf ein unterhaltsames Moment zu verzichten. Und er machte deutlich: die Übersetzung eines literarischen Werkes ist eine Kunstform für sich. Gerade die von ihm übersetzten Bücher bedürfen eines einfühlsamen Blickes für beide Gesellschaften, die aus der das Werk stammt, die Ukraine und die für seine Leser im deutschen Sprachraum. Serhij Zhadan als Autor beschreibt sein Land mit alltäglichen Szenen aus dem Leben zuletzt oft auf beiläufige Weise. Die Feinheiten dieser Bücher zu transportieren, ohne diese übertrieben zu betonen und sie plakativ oder platt wirken zu lassen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Mehrfach sprach Durkot davon, ein Zusammenhang sei nicht immer übertragbar. Man muss stets ein Äquivalent in der Zielsprache finden, das eine passende Konnotation besitzt. Nicht jede Übersetzung und Erwähnung macht dann Sinn: ein KAMAS mag noch bekannt sein, aber wer weiß in Mitteleuropa was ein UAZ-452 ist? Der Kleintransporter heißt im Volksmund „Brotlaib“, wenn aber als Krankenwagen genutzt „Tabletka“ („Tablette“). Die Menschen in der Ukraine oder Russland haben bei Tabletka da sofort ein Bild vor Augen. Für die deutschen Leser bedeutet dieses Wort nichts – man schreibt also einfach „Krankenwagen“.
In Zhadans Roman „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ wurde eine Person als Dostojewski bezeichnet. Derjenige ging allen auf die Nerven – in Anlehnung an den omnipräsenten Klassiker und gleichzeitig vom Wort „dostawaty‘ “ abgeleitet, was „erreichen“ oder „nerven“ im übertragenen Sinne bedeutet. Mangels der Übertragbarkeit von derart komplexen Kontexten bekam der Charakter in der deutschen Fassung einfach den Namen „Dumbolewski“. Viele dieser Fragen blätterte er auf und gewann gespannte Zuhörer.
Ins Schwimmen geriet er am Ende fast bei der Frage eines versierten Zuhörers, wann im Text zu den besetzten Gebieten das Wort Trage, Bahre oder Tragbahre verwandt wurde, da er sich nicht an das Wort erinnerte. Es blieb aber keine die Spur einer Ungenauigkeit zurück. Wie zuvor schon beschrieben, konnte er seinen vielfach formulierten Anspruch darlegen – wichtiger als einzelne Worte ist die Lebendigkeit des Werkes im Übersetzten weiter strahlen zu lassen. Das ist ihm offenbar mehrfach gelungen.