Evangelische Akademie bringt Sowjetgeneral nach Braunschweig

Gruselfaktor in St. Martini am 23.01.25. Harald Kujat hält einen Vortrag zu vermeintlich geheimen Wahrheiten über Nato und Russland. Viele hundert wollen es hören. Sie könnten ebenso einen Vortrag machen zum Thema „Warum der Klimawandel nicht schlimm ist“ oder : „Windräder – gefährlicher als Atomkraft?“ und hunderte Zuhörer wären sicher. Die Leute, die gekommen sind, wollen hören, dass „der Westen“ Schuld ist am russischen Krieg, aber dass Umkehr möglich ist. Dass man mit Russland verhandeln könne.
Nicht dabei ist die Ukraine. Es wird nur über die Ukraine gesprochen. Es gibt auch niemanden, der das Gesagte aus fundiertem Blick in Frage stellen könnte. Die Veranstaltung wird von der evangelischen Akademie gemeinsam veranstaltet mit dem Friedenszentrum Braunschweig e.V.

Der Westen ist Schuld  – Stiller Protest draußen

Draußen zwei Leute aus unserem Verein mit einer simplen Botschaft: Glaubt nicht alles, was Ihr hört.
Die schweigend überbrachte Botschaft bleibt bei einigen hängen. Sie lesen aufmerksam, nehmen es mit in den Raum, der für Menschen aus der Ukraine wie eine Verschwörung vorkommen muss.

Auf dem Plakat steht 1x „Es war ein russisches Spiel“ Angela Merkel über Minsk II  und  „Krieg ist unsere nationale Ideologie“ Alexander Dugin. Der Chefideologe des Kreml liefert die russische Antwort auf «Mein Kampf».  Zitatgeber war allerdings ein anderer, der Vizepräsident des russischen „Parlaments“ der Duma sprach so am Vorabend des Krieges. Doch vielen Besuchern ist Dugin nichtmal ein Begriff. Dabei wären gerade die geistigen Wegbereiter des Krieges doch beim intellektuell angehauchten Publikum en vogue.
Das Originalzitat in längerer Fassung passt in die Logik vor dem Überfall und ist noch gruseliger:

„Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass uns eine Mobilisierung und ein Weltkrieg auf Leben und Tod bevorsteht. Jemand wird seinen Arbeitsplatz verlieren, andere ihr Geschäft, viele werden verstümmelt, noch mehr unserer Landsleute werden den Tod finden. Krieg ist unsere nationale Ideologie.“

Pjotr ​​Tolstoi, Vizepräsident der Duma Mitte Februar 2022
Nachzulesen mit vielen Diskussionen um den Kriegsbeginn auf kadyrov.ru

Der Bundestagsabgeordnete Carsten Müller schreibt dazu bei uns auf Instagram:

Manche nennen diesen Herrn Kujat „Sowjet-General“. Man wundert sich, dass sich führende Vertreter anderer Parteien fröhlich bei dieser Veranstaltung zeigen, zumal es Kujat war, der sich vor einigen Jahren noch sehr anerkennend über das russische Engagement in Syrien und die russische Unterstützung für das mörderische Assad-Regime geäußert hat.

Ein neues Zeitalter des Imperialismus mit der Aufrüstung Chinas und dem neuen Präsidenten in den USA und was wollen die Menschen in St. Martini am 23.01.? Wahrscheinlich: Träumen, zurück in eine Zeit, als der Eiserne Vorhang noch fest hing. Die berühmte „Sorge vor der Eskalation“ wird oft angeführt, auch von Leuten aus der Kirche. Doch auch der Wunsch „Krieg muss enden“ ist dabei, wie er auf Wagenknecht Plakaten zu finden ist und suggeriert, wir müssten die andauernden Luftalarme aushalten, die seelische Zermürbung, die Zerstörungen der Strom- und Wasserversorgung. Nichts davon ist indes Realität in Braunschweig im Januar 25.

Besuchsgrund Seelische Beruhigung

Der Beweggrund, hier her zu kommen ist zuerst die seelische Beruhigung: „Wir stehen auf der richtigen Seite, wir wollen Frieden und erreichen ihn, weil wir das angegriffene Land bloß nicht noch unterstützen. Sollen die das mal regeln. Und wehe, es kommt mal eine Rakete zu uns geflogen. Eskalationsgefahr!“

Der zweite Beweggrund dürfte Unterhaltung sein. Jemand erzählt schöne Geschichten aus der Vergangenheit, die ad hoc niemand so genau überprüfen kann. Und niemand überprüfen will. Das grauhaarige Publikum möchte erinnert werden an die schönen Friedensmärchen aus den 1980ern.
Zum geschlossenen Weltbild passt die Art, wie die beiden, Christoph Krämer und Harald Kujat, sich geben, im feinen Zwirn, als auserwählte Übermittler der Botschaft.

Natürlich sollten diese Kirche ein Ort des Dialogs sein. Es sollte möglich sein, auch abwegige Dinge zu äußern und darüber zu sprechen. So finden Menschen zusammen, die normalerweise nicht miteinander sprechen würden. Und wenn gelingt, so ist trotz aller falscher Fährten der Abend etwas wert. Doch hierbei fehlt etwas: Die Sicht des Opfers. Es fehlt eine Instanz, die einordnet, der Blick von außen und Fakten prüft. Es bleibt Romantik, ein Abend aus Nebelkerzen. So kommt es schließlich zu einer mythischen Aufladung der beiden Apologeten des russchischen Krieges am höchsten Ort, im Altarraum von St. Martini in Braunschweig am 23.01.25.

Evangelische Akademie begründet mit Meinungsfreiheit

Direktorin der Evangelischen Akademie Kerstin Voigt

Die evangelische Akademie begründet ihre Haltung mit Meinungsfreiheit und führt Veranstaltungen gegenteiliger Inhalts an. Die Leiterin Frau Kerstin Voigt schreibt dazu am 21.01.25:

„Die Ev. Akademie versteht sich als Diskursraum, in dem auch diese Positionen vertreten werden können. Selbstverständlich muss auch eine andere Position gehört werden, wie sie z.B. Militärdekan Dirck Ackermann oder Prof. Menzel bei Akademieveranstaltungen vertreten haben.
Kritische Rückfragen zum Format- mit nur einem Referenten- nehme ich sehr ernst.“

Ein Protest dagegen führt nicht zu einer Änderung. Insbesondere der Verzicht auf einen Faktencheck ist für Menschen aus der Ukraine bitter.

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