Warum eine Städtepartnerschaft zwischen Braunschweig und einer Stadt in der Ukraine eine gute Idee wäre
Braunschweig hat 7 Partnerstädte und zwei Städtefreundschaften. Fünf Städte liegen außerhalb Europas. Die Ukraine ist nicht dabei und unter normalen Umständen wäre an eine weitere Partnerstadt nicht zu denken, bringt doch jede zusätzliche städtepartnerschaftliche Verbindung Aufgaben und Verpflichtungen mit sich. Wir haben aber keine normalen Verhältnisse.
Der russische Angriffskrieg hat schon mehr als 700.000 UkrainerInnen nach Deutschland verschlagen, davon sind mehr als 2.500 in Braunschweig gelandet. Ca. 900 UkrainerInnen leben hier schon längere Zeit. Auch wenn die Aufenthaltsperspektive der Geflüchteten sehr stark von der weiteren Entwicklung des Krieges abhängt, wäre jetzt dennoch ein guter Zeitpunkt für ein Zeichen der Solidarität, wenn Braunschweig eine Partnerschaft mit einer ukrainischen Großstadt begründen würde.
Warum die westukrainische Stadt Ternopil ( ukrainisch Тернопіль; polnisch Tarnopol, russisch Тернополь) eine gute Wahl wäre
- Ternopil ist Hauptstadt der gleichnamigen Oblast (vergleichbar mit einem Bundesland). In der Oblast wohnen auf einer Fläche von ca. 14.000 km² (etwas kleiner als Schleswig-Holstein) knapp über 1 Million Einwohner (etwa wie Saarland).
- Im Stadtgebiet Ternopil leben ca. 225.000 Menschen auf einer Fläche von 72 km².
- Die Stadt ist stark studentisch geprägt. Ca. 37.000 Studierende an 4 Universitäten, darunter 3.000 ausländische Studenten, geben der Stadt ein jugendliches Gepräge.
- Die wirtschaftliche Basis der Region (Oblast) ist nach wie vor der Agrarsektor, aber auf Grund des auch für innerukrainische Verhältnisse niedrigen Lohnniveaus haben sich hier Zulieferer für die deutsche Automobilindustrie angesiedelt. Der größte Arbeitgeber sind die Sumotomi Bordnetze mit mehr als 7.000 Arbeitsplätzen in der Region. Das Unternehmen, dessen Europazentrale hier in Hattorf (WOB) angesiedelt ist, fertigt Kabelbäume für VW und andere Autohersteller.
- Ternopil teilt mit Braunschweig das Schicksal einer im 2. Weltkrieg fast völlig zerstörten Stadt. Von dem reizvollen Gebäudebestand aus den Zeiten österreichisch-ungarischer k. u. k.-Monarchie ist nur ein kleiner Kern im Zentrum übriggeblieben. Ternopil gehörte zu den 29 Städten an der Ostfront, die mit dem Führerbefehl Nr. 11 vom 8. März 1944 zur „Festen Stadt“ erklärt wurden. Diese Städte waren um jeden Preis auch bei Einkesselung durch die sowjetische Armee bis zur letzten Patrone zu verteidigen. Dieses Schicksal ereilte Ternopil schon ab dem 9. März. Von den 4.500 deutschen Soldaten hatten am 15. April nur noch 54 überlebt. Ternopil war inzwischen von der sowjetischen Artillerie in Schutt und Asche gelegt worden.
- Die multiethnische Gesellschaft der Vorkriegszeit bestehend aus Ukrainern, Polen, Juden, wurde durch die nationalsozialistische Judenvernichtung aufgelöst. Die stalinistische Umsiedlungspolitik zwischen Polen und der Ukraine in den Jahren 1944-1947 führte dazu, dass heute 99 % der BürgerInnen in Ternopil Ukrainisch als ihre Muttersprache angeben.
Es gibt schon Beziehungen:
- Im Mai 2015 hat eine kleine Delegation des kurz zuvor gegründeten Vereins „Freie Ukraine Braunschweig e.V.“ Ternopil besucht. Es gab Begegnungen in Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten, bei der Berufsfeuerwehr, an der Pädagogischen Universität, in dem Unternehmen Sumotomi Bordnetzeund nicht zuletzt auch bei Bürgermeister Serhij Nadal.
- In den folgenden Jahren wurden die Kontakte zur Ökonomischen und in jüngster Zeit zur Medizinischen Universität Regelmäßige Besuche in der Stadt und in Kleinstädten und Dörfern in der Oblast waren verbunden mit der Lieferung von jeweils 10-15 gebrauchten Desktops für die Einrichtung von schuleigenen Computerklassen (bisher geliefert 280 PC).
- Finanziert durch die Stiftung „Erinnerung-Verantwortung-Zukunft“ wurden bisher 3 jeweils 14-tägige Jugendbegegnungen mit ca. 75 TeilnehmerInnen durchgeführt. Zwei Jugendbegegnungen fanden in Braunschweig statt, eine in Ternopil. In Braunschweig wurden die jungen Menschen auch von den Fraktionssprechern der CDU, der SPD und den Grünen empfangen. Bei der ersten Jugendbegegnung im September 2015 wurde ein 20-minütiger Videofilm über die Vielfalt des kulturellen Lebens und des Zusammenlebens mit ausländischen MitbürgerInnen in Braunschweig produziert.
- Im Dezember 2015 hospitierten 2 Feuerwehrleute und ein Notarzt aus Ternopil für eine Woche bei der Braunschweiger Berufsfeuerwehr.
- Seit Anfang des offenen Angriffskrieges Russlands wurden wertvolle Medikamente (Insgesamt ca. 70 Tsd Euro) aus Braunschweig in Medizinischen Universität geliefert.